4. September 2023

Arbeiten in virtuellen interkulturellen Teams – Sind Sie bereit dafür?

In vielen Unternehmen herrscht die mehr oder weniger bewusste Meinung vor, dass ein virtuelles Team mit einer gemeinsamen Sprache, Tools für die Kommunikation und einen guten Wille zurechtkommen kann. In der Praxis schenken jedoch viele den spezifischen Bedürfnissen dieser Arbeitsform wenig Beachtung.
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Geschrieben von: Prof. Dr. Pilar Salamanca
Lesedauer: ca. 6 Minuten

 

Kennen Sie den Fall des „No-Idea-Passenger”? Kürzlich musste ein Passagier das Kommando über ein Privatflugzeug übernehmen, um zu landen, als es dem Pilot plötzlich schlecht ging. Als das Bodenpersonal ihn fragte, ob er wisse, wie man das macht, antwortete er: „No idea”. Mission impossible? Nun, er hat es geschafft.

Das Geheimnis ist jedoch relativ einfach: gute Teamarbeit.

Obwohl wir in unserer beruflichen Realität glücklicherweise nicht mit solchen Extremsituationen konfrontiert werden, bringt die Arbeit in interkulturellen virtuellen Teams auch ihre Herausforderungen mit sich. In vielen Unternehmen herrscht jedoch die mehr oder weniger bewusste Meinung vor, dass ein virtuelles Team mit einer gemeinsamen Sprache, Tools für die Kommunikation und einen guten Wille zurechtkommen kann. Das würde vielleicht niemand explizit so behaupten, aber in der Praxis schenken viele den spezifischen Bedürfnissen dieser Arbeitsform wenig Beachtung. Es wäre schön, wenn es so einfach wäre, aber nein, diese Aspekte sind nicht alles. Wir geben Ihnen ein paar Beispiele.

  • Wussten Sie, dass die Verwendung der Kamera bei virtuellen Sitzungen für Frauen und neue Mitglieder der Organisation stressiger und ermüdender sein kann?
  • Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, dass eine der Hauptquellen für Ablenkung in virtuellen Meetings die Tatsache ist, dass wir uns selbst die ganze Zeit ansehen? Ein Spiegel in einem Aufzug kann sehr nützlich sein, so lässt man Randalierer sich mit sich beschäftigen, bei einer internationalen Verhandlung, die virtuell geführt wird, kann dies jedoch von Nachteil sein.
  • Und noch etwas: Studien haben gezeigt, dass für Mitglieder virtueller Teams der wichtigste Faktor für gute Teamarbeit nicht die Werkzeuge, Qualifikationen oder Erfahrungen der Teammitglieder sind, sondern die Schaffung eines soliden Vertrauens. Wie kann man dieses Vertrauen aufbauen, wenn die Teammitglieder in verschiedenen Teilen der Welt leben, sich nicht persönlich kennen und keine Möglichkeit haben, sich persönlich zu treffen?

Wie man sieht, geht es um mehr als eine gemeinsame Sprache und ein oder mehrere Tools nicht ausreichen, um solche Teams erfolgreich zu führen.

Wenn Sie ein interkulturelles virtuelles Team leiten, raten wir Ihnen, sich mit den folgenden Bereichen zu beschäftigen, in die wir die unterschiedlichen mit dem Thema verbundenen Fragen gruppieren:

  • Interne Organisation: Vielleicht sind Sie Experte für Projektmanagement und wissen genau, was alles schief gehen kann und wie man es vermeidet, z. B. Probleme mit der Einhaltung von Fristen oder unzureichend klare Anweisungen, die zu unterschiedlichen Interpretationen durch die Teammitglieder führen. Aber sind die Schwierigkeiten in virtuellen Teams die gleichen? Wir haben nicht so viele Informationen über die Situation der einzelnen Mitglieder und die Aufgaben, die sie gerade ausführen. Außerdem wird die Arbeitsorganisation in ihren Umgebungen Besonderheiten haben, die uns vielleicht nicht bekannt sind. Gehen Sie z. B. nichts davon aus, dass überall Meetings protokolliert werden. Abgesehen von den Instrumenten gibt es viele organisatorische Fragen, die wir uns stellen können, z. B. die Häufigkeit und das Format von Sitzungen, die Dokumentation von Aktivitäten, wer wen über welche Aspekte informieren muss…, alles Entscheidungen, die nicht unbedingt mit den üblichen Praktiken des Offline-Unternehmens übereinstimmen müssen.
  • Teamkommunikation und virtuelle Führung: Besonders hier kommen Ihre interkulturellen Kenntnisse und Fähigkeiten ins Spiel, denn die Interaktion zwischen den Teammitgliedern und mit Ihnen wird unsichtbar von den Normen und Werten bestimmt, die in jedem Kulturkreis vorherrschen. Davon hängen die Erwartungen aller ab. Einige Ihrer Mitarbeiter werden explizitere und konkretere Angaben benötigen, während andere von so vielen Details gelangweilt (oder gar beleidigt!) sein werden; und in anderen Fällen werden die Unterschiede im Grad der erwarteten Beteiligung an der Entscheidungsfindung liegen, um zwei Beispiele zu nennen. Kennen Sie diese Unterschiede innerhalb ihres Teams? Wie gehen Sie damit um? Wenn Sie z. B. beschließen, regelmäßige Einzelgespräche zu führen, wie wird sich die Kultur Ihres Kollegen auf dessen Entwicklung auswirken, wie kann man das Gespräch vorbereiten und wie mit den Themen umgehen, welche Aspekte sollten besprochen werden, wie kann man Feedback geben oder einfordern? Fragen über Fragen…
  • Lernen bei der und für die Arbeit: Lernen kann am Arbeitsplatz in zwei Richtungen erfolgen. Zum einen können wir es tun, um in der Lage zu sein, neue Aufgaben auszuführen; und zum anderen können wir bei der Ausführung von Aufgaben neue Erkenntnisse gewinnen. Das Lernen kann durch formale, nicht-formale und informelle Formate erreicht werden: Gehört zu Ihren Führungszielen, Ihr Team systematisch dazu zu ermutigen, sowohl über die ihm zugewiesenen Aufgaben zu lernen als auch darüber, wie man am besten in einem interkulturellen virtuellen Umfeld arbeitet? Das Gefühl, dass wir uns weiterentwickeln, wird nicht nur zu einem Motivationsfaktor, sondern hat auch positive Auswirkungen auf unsere Leistung bei zukünftigen Projekten. Zwei Fliegen mit einer Klappe.

Vergessen Sie nicht, dass kein Team dem anderen gleicht. Ihre Umstände variieren, je nachdem, ob es sich um ein festes oder ein zeitlich befristetes Team handelt, ob die Mitglieder einer einzigen Organisation angehören oder mehreren, in welcher hierarchischen Beziehung sie zueinander stehen usw.

Kurz gesagt, das übergeordnete Ziel wäre ein Gleichgewicht zwischen einer guten Aufgabendefinition sowie Prozessorganisation und einer ausgezeichneten Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedern. Um dies zu erreichen, brauchen Sie Wissen, Übung und Reflexion. Nur so können Sie immer bessere und kreativere Lösungen für die Bedürfnisse und Zwänge der virtuellen Zusammenarbeit entwickeln und anwenden. Das wird Ihnen Spaß machen.

Übrigens, falls Sie sich fragen, wie es dem „No-Idea-Passenger “ gelungen ist, das Flugzeug zu landen: Dank des schnellen Eingreifens eines Fluglehrers, der ihn durch den Vorgang führte. Ja, sie sprachen dieselbe Sprache und hatten ein Werkzeug zur Kommunikation, aber glauben Sie wirklich, dass das ausreicht, um ein Flugzeug in wenigen Augenblicken mit „No-Idea“ zur Landung zu bringen?

Prof. Dr. Pilar Salamanca

  • Spanierin, seit 1988 in Deutschland, mit Aufenthalten in USA, Italien und Belgien.
  • Promoviert in spanischer Sprachwissenschaft
  • Langjährige Erfahrung in der Arbeit in internationalen Teams, externer Kommunikation und Kundenakquise sowie im Bildungsbereich und in der Lehre, darunter Konzeption und Durchführung von Fortbildungen,
  • Professorin für Kultur- und Wirtschaftskommunikation, Studiengangsleiterin vom BA International Communication and Business, Vizepräsidentin der HS
  • Autorin von Lehrmaterialien und wissenschaftlichen Beiträgen
  • Derzeit Leitung in Deutschland des Erasmus-Projektes „Mentes Migrantes“, zur Psychologie der Migration.
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